Arbeitsschritte der Architekturdarstellung

Die Aufgabe der ARCHITEKTURPRÄSENTATION besteht - neben der Darstellung vorhandener Gebäude und Städtischer Räume - meist auch darin, eine noch nicht vorhandene Architektur während der Planung in ihrem künftigen Erscheinungsbild und in ihrer Umgebung sowohl zur Kontrolle, als auch zur Veranschaulichung bildhaft darzustellen und zu erläutern. Die Praxis verlangt dabei unterschiedliche, genau durchgearbeitete Architekturzeichnungen, -skizzen oder -filme für die verschiedensten Präsentationszwecke.

Da man bei der Darstellung eines geplanten, noch ungebauten Gebäudes oft wegen Zeitmangels oder aus Kostengründen des Auftraggebers mit einer einzigen Architekturperspektive oder ähnlichen Darstellung auskommen muss, ist in der Regel ...

 

1. die Wahl des günstigsten Standpunktes der erste, schwierigste und entscheidend wichtige Arbeitsschritt. Man zeigt dazu das Gebäude natürlich von seiner charakteristischsten Seite und in der richtigen Nähe und Umgebung.

 

2. Bestimmung von Blickrichtung und Sehwinkel ist der zweite Arbeitsschritt. Meist wird als realistischer Standpunkt eine horizontale Richtung aus menschlich normaler Augenhöhe ( Eye-Level = ca 1.6 m ) vorgegeben, seltener eine Vogelperspektive, die ähnlich wie ein Modell eher einen Gesamtüberblick über Funktion und Dimension eines grösseren Projektes - z.B. einer Stadtplanung - bietet. Der Hauptsehstrahl des Blicks sollte auf den Schwerpunkt, das Zentrum des Interesses gerichtet sein, meist z.B. auf den Eingang des entworfenen Gebäudes. Die Bildbreite sollte einen Sehwinkel von 60° in der Regel nicht überschreiten, um zu starke Verzerrungen in den Randbereichen des Bildes zu vermeiden.

Bei Innenraumdarstellungen wird meist die Zentralperspektive (Einfluchtpunkt-Perspektive) angewandt, die etwas grössere Sehwinkel verträgt.

 

3. Festlegung von Bildgrösse und -begrenzung : die Grösse ist abhängig vom Zweck der Darstellung. Für die häufigste Verwendung zur Reproduktion in Büchern, Zeitschriften oder Prospekten muss das Original verhänismässig klein sein, da eine allzu starke spätere Verkleinerung auf das gegebene Buchformat Feinheiten untergehen lässt. Umgekehrt können Ausstellungs- und Demonstrationszeichnungen nicht gross genug sein, da sie zumeist von mehreren Personen gleichzeitig betrachtet werden sollen. Die Ausschnittbegrenzung wird nach dem vorgesehenen Darstellungsumfang und der Schwerpunktlage zu den Rändern des Bildes bestimmt.

 

4. Vorgabe von Lichtrichtung und Schattenwurf : Die meisten bedeutenden Gebäude sind bereits auf ihre Licht- und Schattenwirkung hin entworfen worden. Schlag- und Eigenschatten können so dominierend heraustreten, dass sie einen grösseren Kontrast zur Umgebung bieten, als das schattenlose Gebäude selbst. Der Schatten dient auch zur Veranschaulichung der Dimensionen der Architektur.

 

5. Block-Out-Skizzen der Gebäudeperspektive:meist werden in dieser Phase mit wenigen skizzenhaften Strichen ein oder zwei sogenannte Block-Out-Darstellungen grob umrissen, die alle Vorgaben der Arbeitsschritte 1- 4 bereits enthalten.

 

6. Die Entscheidung für die endgültige Originalzeichnung wird dann anhand dieser Block-Outs in Zusammenarbeit mit dem Bauherrn und dem Architekten getroffen. Damit ist der wesentlichste und grundlegende Teil der Arbeit getan und die routinemässige Ausführung der eigentlichen Rendering kann beginnen.

 

7. Linearer Aufriss für die Originalzeichnung: leicht korrigierbare Liniendarstellung mit Bleistift von Hand oder mit CAD-Computerprogrammen.

 

8. Strukturen, Material und Spiegelungen werden ergänzt: Spiegelungen des Gebäudes in Gewässern oder einer dominanten Umgebung in den Glasflächen des Gebäudes sind wichtige Charakteristika der Architektur.

 

9. Umgebung, Menschen , Landschaft, Bäume und Verkehr werden ergänzt: z.B. sind Menschen in der Zeichnung ausser der Belebung und Betonung wichtiger Bereiche der Architektur und Umgebung auch wichtig für die Erfassung von Masstab und Grössenordnung der dargestellten Architektur und des Raumes. Und sie helfen später dem Betrachtenden sich selbst in die Projektumgebung einzubeziehen und die Architektur besser und direkt mitzuerleben.

 

10. Lineare Reinzeichnung des Originals: diese Zeichnungsphase erfolgt meist als reine Schwarz-Weiss-Darstellung , wobei z.B. Schatten noch nicht linear umrandet oder geschwärzt werden. Es sei denn das endgültige Original soll als lineares Schwarzweissbild abgeschlossen werden. Die lineare Schwarz-Weiss-Zeichnung, ob Computer-, Grafit-, Filzstift-, Feder- oder Tuschezeichnung, scheint mir ein besonders geeignetes Medium für die Veranschaulichung zeitgenössischer Architektur zu sein, und sie harmoniert z.B. in Veröffentlichungen am besten mit den technischen Zeichnungen der Architektenpläne eines Projekts.

 

11. Kolorierung , Darstellung der Gebäude-Farben, - Schatten und - Spiegelungen des endgültigen Originals : die Farbgebung/Tönung geschieht meist mit Medien wie Buntstiften, selten Wasserfarben, Airbrush oder mit ComputerColor. Hierbei wird das Gebäude, die Architektur, als wichtigster Teil und Blickpunkt der Darstellung stärker bearbeitet ( = rendern ), während die Umgebung eher flach und weniger farbig abgesetzt wird. Die Gesamtkolorierung sollte nicht stark farbig, sondern in einer einheitlichen, zurückhaltend gedeckten Farbgebung erscheinen, wobei die Tönung für die Tiefen-, Licht- und Schattenwirkung ihre eigentlich wichtige Aufgabe erfüllt.

 

12. Nachbearbeitung des Einzel-Original-Bildes, Akkzentuierungen, Änderungen und Korrekturen etc.

 

13. Dokumentation: Dokumentieren und Archivieren durch fotografische Aufnahmen bzw. Kopien des Originals vor der Herausgabe.

 

14. Computer-Film- Animation: Architektur-Animationen mit ihren virtuellen Bildsequenzen setzen sich aus vielen solchen Folgen von Bildern und Einzel-Zeichnungen zusammen, deren Herstellung oben in den Phasen 1-12 beschrieben wurde. Sie werden dann mit einem entsprechenden Computer-Animationsprogramm zu kompletten Filmsequenzen zusammenkomponiert. Eine Architektur-Film-Animation erfordert deshalb logischerweise einen bedeutend grösseren Arbeits- und Zeitaufwand, als statische Einzelbilder.

 

Vorarbeiten

All diesen Herstellungsschritten geht natürlich ein intensives Gespräch mit dem Auftraggeber - meist der Bauherr - und seinem Architekten voraus und eine Beschäftigung, Vertiefung und Auseinandersetzung mit Werk und Denken dieses Architekten, mit seiner Stilrichtung, seinen bevorzugten Baumaterialien, seiner Architekturphilosophie und seinen früheren Entwürfen, - insbesondere natürlich mit seinem letzten nun vorliegenden und darzustellenden Entwurf und dessen Grundkonzeption.

 

Dazu erfolgt dann die Besorgung der Arbeitsgrundlagen für die Darstellung dieser seiner neuesten Architektur und das Projektstudium der Lage-, Grundriss-, Ansichtspläne und Details.

 

Parallel werden bei einer Lage-Besichtigung vor Ort Skizzen und Photos (mit Polaroid- oder Digital-Kamera) der Umgebung, Landschaft und der vorhandenen Gebäude gefertigt.

 

Hans-Jörg Schmidt-Wigger
Berlin, 2012